strumpf_post

 ES contemporary art gallery, Meran, Auch das Paradies wirft Schatten, Detail Der Strumpf Projektor mit integriertem Player, Video mpeg4 , Film- und Audioloop, 0:03:00 Minuten

ES contemporary art gallery, Meran, Auch das Paradies wirft Schatten, Detail Der Strumpf
Projektor mit integriertem Player, Video mpeg4 , Film- und Audioloop, 0:03:00 Minuten

Mein Film Der Strumpf, den ich in der Neuen Nationalgalerie von Mies van der Rohe in Berlin produzierte, war im Rahmen der Ausstellung Auch das Paradies wirft Schatten in der ES contemporary art gallery 2012 in Meran zu sehen.
Der Strumpf thematisiert das Erinnern an Kindheit, welche sich in sich selbst aufzulösen scheint, wenn wir beginnen zielgerichtet und gründlich in ihr zu suchen.Während die Protagonistin des Films spricht, umkreist eine Kamera sie, zunächst in der Ausstellungshalle der Neuen Nationalgalerie, dann von außen durch die Glaswand.
Auf dieses Bildmaterial habe ich den Ton in asynchroner Weise geschnitten: Der Außenton (Verkehrslärm, Gesprächsfetzen vorbei laufender PassantInnen) ist zu hören, solange die Kamera die Sprechende im Innenraum zeigt. Wenn der Blickwinkel nach außen wechselt, ist die inzwischen Verstummte hinter dem Glas zu sehen. Erst jetzt ist zu hören, was sie zuvor sprach: Es geht um eine Kindheitserinnerung.
Ein Griff in eingerollte Strumpftaschen offenbarte bei dem Versuch deren Inhalt herauszulösen, die Erfahrung, dass der Inhalt der Strumpftasche gleichzeitig ihr Äußeres war. In der Architektur Rohes gefilmt, dessen Konzentration in diesem Bau dem Verhältnis des Innneren zum Äußeren galt (das Glas als durchsichtiges Membran, alle Stahlträger symmetrisch durchschnitten, die gleichen Bodenfliesen Innen und Außen), bildete der Drehort für mich eine Verbindung zu dem gesprochenen Text Der Strumpf aus dem berühmten Werk Walter Benjamins Berliner Kindheit um neunzehnhundert(1)
.
(1) Dann stiess ich auf meine Strümpfe, die da gehäuft und in althergebrachter Art gerollt und eingeschlagen ruhten. Jedes Paar hatte das Aussehen einer kleinen Tasche. Nichts ging mir über das Vergnügen, die Hand so tief wie möglich in ihr Inneres zu versenken. Ich tat das nicht, um ihrer Wärme willen. Es war ‘das Mitgebrachte’, das ich immer im eingerollten Inneren in der Hand hielt, was mich in ihre Tiefe zog. Wenn ich es mit der Faust umspannt und mich nach Kräften in dem Besitz der weichen, wollenen Masse bestätigt hatte, begann der zweite Teil des Spiels, das die Enthüllung brachte. Denn nun machte ich mich daran, ‘das Mitgebrachte’ aus einer wollenen Tasche auszuwickeln. Ich zog es immer näher an mich heran, bis das Bestürzende sich ereignete. Ich hatte ‘das Mitgebrachte’ herausgeholt, aber die ‘die Tasche’, in der es gelegen hatte, war nicht mehr da.
Walter Benjamin, Der Strumpf. Aus: Berliner Kindheit um neunzehnhundert / Fassung letzter Hand, von George Bataille in der Bibliothèque Nationale, Paris, versteckt und 1981 dort entdeckt.